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Harmonie-Renaissance
Chess along (8) von Fritz Hoffmann, Weißenfels

Harmonie wird verschieden definiert, je nach Begriffsnutzung in den verschiedensten Künsten und Wissenschaften. Allgemein bieten die Lexika solche Verdeutschungen wie Zusammenklang, Übereinstimmung und Ebenmaß an. Für friedfertige Seelen mag Harmonie ein menschliches Grundbedürfnis sein, aber das Weltgeschehen ist ein bunter Jahrmarkt von Streicheleinheiten und Prügelszenen. Denkbar, daß Caissas Jünger Harmonie live umsonst suchten und zuletzt beim Schach fanden. Allgemeingültig ist diese These indessen wohl nicht.
Harmonisches Menschwerden und -sein war schon vor rund zwei und einem halben Jahrtausend ein philosophisches Denkziel. Wenn ein Sokrates die Kalokagathie, die Vereinigung des Schönen und Guten im Menschen, als erstrebenswert lehrte, so galt das im edelsten Sinne, eigentlich viel höher als die vergleichsweise plumpe Formel „mens sana in corpore sano“ der römischen Epigonen. Das Schicksal der Moralisten glich sich freilich hier wie dort: Ein Sokrates wie ein Seneca waren zum Freitod verurteilt.
Das sokratische Erziehungsstreben erlebte bereits in der Antike materialisierte Parallelen, zum Beispiel in Baukunst und Bildwerk. Noch heute anerkennen und bewundern wir die Kalokagathie ionischer Tempel und attischer Statuen. Kein Zufall, daß prominente Geister der Renaissance vielseitig darauf zurückgriffen.
Da entdecken wir bei einem Gelehrten von universaler Bildung und Wirkung, wie es der Architekt Leon Battista Alberti (1404 - 1472) unbestritten war, sogar schachlich brauchbare Ideal-Verallgemeinerungen: Albertis „concinnitas“ – als Harmonie des Gesamtwerks bei Kontrastgestaltung im Detail erklärt – erscheint uns wie ein Vorbild für bewußt harmonisierte Hilfsmattkomposition.
Über diese Dialektik von Ganzheit und Teil lesen wir bei Meister Gehlert (1903) auf schachliche Thematik bezogen: Das schachkompositorische Vorhaben verleihe, wenn harmonisch in den „Schachkonstituenten“ von Kraft, Raum und Zeit ideal entfaltet, „im fertigen Problem, wie das Thema in jedem Meisterwerke anderer Kunstgebiete, nicht bloß dem Gesamteindruck, sondern auch jeder Einzelheit seinen Reiz ...“ Mit drei Worten: Schachharmonie beginnt thema-bedingt. Was diesem Beginn folgt, handeln wir anderwärts ab – in Dutzenden Turnier-Urteilen, Hunderten von Problembesprechungen, Tausenden zitierten Löserstimmen ... Offenbar kommt es dabei auf unser Empfinden an: Wir entscheiden uns nach dem Gefühl, Gefühl für Schachkalokagathie, zumindest für „mens sana in abaco sano“.
Alberti sei aber wiederholt: Harmonie ist nicht etwa in Kontrastlosigkeit begründet. Man darf nicht nur parallele Vorgänge im harmonischen Problemgeschehen konzipieren und rezipieren. Auch Kontraste leisten ihren Beitrag. Insofern bin ich gespannt, was das Strategiewechsel-Thema im 17.TT beim PROBLEMECHO erbringen wird.
Zum Schluß bin ich ins Grübeln gekommen. Welche Probleme drucken wir hier als Musterbeispiele nach? Die Tradition zweier Diagramme darf nicht unterbrochen werden.
Die Idee der Vollendung knüpft an den Titel der Zeitschrift von Torsten Linß und Frank Richter an. Hier ist der rechte Platz, den Begründer der „harmonie“ und den Architekten ihrer Renaissance ehrend zu zitieren (Problemauswahl zum Thema ’harmonie’ vom Hrsg.).
 
 
1) Torsten Linß
S.-M.-Birnow Memorial 1987
2. Preis







h#2 (7+6)
1.Le5 Lc4 2.K:d4 Lf2#
1.Tc4 Te5 2.K:d6 S:b5#
 
 

 

2) Frank Richter
Förderungsturnier der DDR 1986, 
1.Preis







#2v (11+6)
1.Le6? (2.Sd3#) f:e5/f5/Le3/Lh2
2.Dd3/Ld5/Dd5/De2#; 1.- Lf2!
1.Sfd3! (2.Le6) f:e5/f5/Le3/Lh2
2.T:e5/Lf3/Dg2/Sf2#
4 Mattwechsel

 

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